Chouans – Die Geschichte

Wir befinden uns im Jahr 1789.
In der Nacht des 4. August endet die alte Gesellschaftsordnung in Frankreich. Die bis dahin geltenden Privilegien und Feudalrechte des Adels werden abgeschafft, die Strukturen des Klerus neu organisiert, Kirchengüter beschlagnahmt. Die Nationalversammlung, bestehend aus Abgeordneten der Drei Stände, verkündet die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Was sich lange angekündigt hat, wird Realität: Die Französische Revolution nimmt ihren Lauf. 
Doch die junge Republik kämpft um innen- und aussenpolitische Stabilität. Sturz und Hinrichtung König Ludwigs XVI. haben eine massive Polarisierung der innenpolitischen Landschaft zur Folge, Machtkämpfe zwischen radikalen und gemässigten Gruppen verschärfen sich.
1793 werden unter der Terrorherrschaft der Jakobiner tausende Todesurteile in ganz Frankreich gegen potentielle Verräter der Revolution vollstreckt, täglich rollen Köpfe unter der Guillotine. La Terreur endet erst mit der Hinrichtung Robespierres Mitte 1794.
Inzwischen beobachten die Monarchien Europas die antiroyalistischen Ereignisse in Frankreich mit Argwohn. An den Grenzen nehmen die Feindseligkeiten zu. Frankreich braucht Soldaten und beschafft sie sich mit der Einführung der Wehrpflicht, der Levée en masse, die überall im Land Proteste auslöst. In der katholischen Bretagne und der benachbarten Vendée, traditionell eng mit Kirche und Königtum verbunden, formiert sich der Widerstand besonders heftig und anhaltend. 
Die bretonischen Chouans schliessen sich dem Widerstand in der Vendée an. Sie kämpfen für Gott und den König, für ihre Traditionen und gegen die Revolution, von der sich viele verraten fühlen. 

Was als Bauernaufstand beginnt, wird für die Pariser Regierung schon bald unkontrollierbar. Eines der dunkelsten Kapitel in der französischen Geschichte beginnt: Blau – die Uniformen der Nationalgarde – gegen Weiss – die Wappenfarbe der Bourbonen. Das Symbol des Widerstandes: ein rotes Herz unter einem Kreuz mit dem Schriftzug Dieu, le Roi.
Die Bauern sind zahlreich und stehen unter der Führung adliger Kommandeure, erhalten Unterstützung von der katholischen Kirche und aus England. In bester Kenntnis der lokalen Gegebenheiten bedienen sie sich Guerillataktiken, kommunizieren unkonventionell miteinander. Die Stellung von Windmühlenflügeln wird zur Signalübermittlung genutzt, der Käuzchenruf dient den Chouans zur Verständigung. 

Die Armée Catholique et Royale de Vendée ist schlecht ausgerüstet, aber hochmotiviert und bedingungslos einsatzwillig. Mit einer Truppenstärke von geschätzten 80‘000 Mann verzeichnet sie zunächst bedeutende militärische Erfolge gegen die Truppen der Republik.
«Nichts», so Napoleon Bonaparte später, «hätte den Marsch der königlichen Armeen aufgehalten, wenn die Vendée sich in diesem Moment nach Paris gewandt hätte.»

Doch es kommt anders. Die Revolutionstruppen können entscheidende Siege davontragen. Nach der letzten grossen Niederlage der Vendéer bei Granville im Dezember 1793 zieht der Nationalkonvent in Paris alle Register, er beschliesst die völlige Zerstörung der Vendée: 
Die republikanischen «colonnes infernales», die Höllenkolonnen, ziehen durch das Land, brennen Städte und Dörfer nieder, zerstören Vorräte und Getreide, töten Vieh. Männer, Frauen und Kinder werden bei «republikanischen Taufen» in der Loire ertränkt oder en masse auf Feldern und Wiesen erschossen. 
Der republikanische General Westermann, bekannt durch sein besonders brutales Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, soll in diesen Tagen an den Pariser Konvent geschrieben haben: 
«Es gibt keine Vendée mehr. Sie ist mit unserem Säbel der Freiheit niedergemacht worden, mitsamt Frauen und Kindern. Ich habe sie in den Sümpfen und Wäldern von Savenay begraben. Man kann mir keine Gefangenen vorwerfen. Ich habe alles ausgelöscht.» 

In die verwüstete Region kehrt nur mühsam Ruhe ein. Immer wieder flammt der Widerstand auf. Die beiden letzten Führer der Armée Catholique et Royale, Jean-Nicolas Stofflet und François Athanase Charette de La Contrie, werden 1796 hingerichtet. Mit Georges Cadoudal wird 1804 einer der letzten grossen Anführer der bretonischen Chouans unter Napoleon Bonaparte guillotiniert. Doch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts brodelt es im Westen Frankreichs. 
Die Opferzahlen der Vendée-Kriege sind schwer zu beziffern, von bis zu 600‘000 Menschen ist die Rede.

Die Wunden des Krieges verheilen nicht, seit über 200 Jahren. Die Vendée prägt Frankreich nachhaltig und bis heute. Historiker, Politiker, Medien diskutieren den «franko-französischen Genozid», während nicht nur im Westen das Andenken lebendig gehalten wird. Denkmäler werden gepflegt, Filme gedreht, Kongresse abgehalten, auf Ausstellungen rote Vendée-Herzen verteilt. Durch die französische Öffentlichkeit zieht sich ein tiefer Graben: Der Film «Vaincre ou mourir» – «Siegen oder sterben», ein flammendes Epos, das im Januar 2023 in die französischen Kinos kam, macht das mehr als deutlich. Er schildert den Vendée-Krieg aus der Sicht der Aufständischen und verletzt damit ein gesellschaftliches Tabu, doch er findet auch sein Publikum. 

Im Februar 2023 schreibt Le Figaro
«Es bleibt festzuhalten, dass in einer reifen Demokratie eine Einigung darüber möglich sein sollte, gesicherte Fakten von außergewöhnlicher Schwere zu respektieren und bekannt zu machen. … Indem er dazu zwingt, sich mit Wahrheiten auseinanderzusetzen, die immer noch unbequem sind, hat dieser Film also ein nützliches und verdienstvolles Werk geleistet.» 

Die öffentliche Auseinandersetzung um die Vendée scheint in die nächste Runde zu gehen.